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Anglizismen sind Freunde, kein Fastfood

Der Anglizismus des Jahres 2017 wurde entschieden: Influencer. Schön, man hätte ein weniger langweiliges Wort wählen können, aber das Volk (zumindest Teile davon) hat gesprochen. Mein persönlicher Favorit 2017 war „Right in front of my salad?“, was aber aus irgendeinem Grund nicht zur Auswahl stand. Wahrscheinlich zu lang. Und kennt wahrscheinlich wieder niemand.

 

Und schon höre ich die Nölpferde (nein, das ist kein Tippfehler, ich weiß genau, was ich meine) aus dem Nörgelsumpf auftauchen: „Was, Influencer? Kann man das nicht auf Deutsch sagen?“ Klar kann man. Aber „Beeinflusser/in“ klingt nun mal erheblich platter und weckt aus irgendeinem Grund Assoziationen mit einer Rekrutierungskampagne der Illuminaten. Anglizismen sind Freunde. Ihr müsst keine Angst vor ihnen haben, Kinder. Gut, man kann’s auch übertreiben. Dem nächsten Marketing-Kasper, der mir daherkommt mit etwas in der Art von „Du musst deine Brand increasen, damit du dein Turnover doublen kannst“, dem fülle ich die Nasenlöcher mit heißem Gorgonzola.

 

Wo es Neuerungen gibt, da braucht es eben auch Neologismen. Dass das eher im englischsprachigen Raum als im deutschsprachigen Raum der Fall ist, ist niemandes Schuld (zumindest können wir nichts beweisen). Manchmal sind Anglizismen einfach notwendig. Das Deutsche bietet eine Fülle an wunderbaren Wörtern, die mitunter in andere Sprachen adoptiert werden („Schadenfreude“ ist ein berühmtes Beispiel), aber selbst wir hinken mal hinterher. Besonders im sozialwissenschaftlichen Bereich merkt man es teilweise sehr stark, z. B. „sex“ und „gender“. Was haben wir im Deutschen? „Geschlecht“ und „Geschlecht“. Das hilft irgendwie nicht weiter. Und ist es nicht irgendwie bezeichnend, dass die deutsche Sprache ein Wort hat, um seine Freude am Unglück anderer auszudrücken, aber keines, um zwei wichtige Aspekte des menschliches Lebens auseinanderzuhalten? Da soll noch mal einer sagen, die Deutschen wären humorlos.

 

Neben technischen und sozialen Neuschöpfungen gibt es noch einige andere Gründe, Anglizismen zu verwenden. Um es salopp zu sagen, Englisch ist kürzer und kommt schneller auf den Punkt. Man kann einiges einfach nicht übersetzen. Na schön – man kann, aber das ist nur was für Mutige. Natürlich kann man eine Blauzahn-Verbindung zwischen der klappbaren Rechenmaschine und dem Mobiltelefon herstellen, während man sich einem Denkgewitter über die Vermarktung von mit Alligatorbirne belegtem Röstbrot hingibt, aber zu welchem Preis? Man vergleiche nur „Sale“ und „Schlussverkauf“. „Crowdfunding“ klingt nicht nur um Längen besser als „Gruppenfinanzierung“, es besitzt auch nur halb so viele Silben. Wie würde man „Selfie“ überhaupt übersetzen? Fotografisches Selbstporträt? Selbstbild? Selbstie? Was ist mit dem beliebten Brunch? Der setzt sich zusammen aus „breakfast“ und „lunch“. Das wäre im Deutschen „Frühstück“ und „Mittagessen“, also Fressen. Oder Frühtagessen. Das ist nicht im Sinne der Sprachökonomie.

 

Manchmal müssen neue Ausdrücke auch als Lückenfüller im Sprachgewebe herhalten. Das Deutsche bringt wunderschöne, bürokratisch klingende Wörter hervor wie „situationselastisch“; das Englische gibt uns Wörter, von denen wir nicht wussten, dass wir sie brauchen. „Percussive maintenance“ zum Beispiel, die korrekte Bezeichnung für „auf das elektrische Gerät hauen, bis es funktioniert“, eine technische Lösung, die wir alle sicher zweimal täglich durchführen.

 

Wer den Anglizismen im Deutschen entgegenwirken will, könnte produktiv werden und das Mittelhochdeutsche wieder popularisieren! Wie wäre es mit „newederhalp“, was so viel bedeutet wie „auf keiner von beiden Seiten“, das passt doch auf viele Situationen. Pizza, zum Beispiel. Oder „swibelswanz“, ein Tanzkleid oder zumindest Teile davon. Samstagabend, schmeißt euch in die Swibelswänze! (Und wer jetzt glaubt, dass ich mit meinem Lexer aus dem lang vergessenen Mittelhochdeutsch-Seminar vorm Bildschirm sitze, hat vollkommen Recht.)

 

Angesichts des langjährigen Nölens ist es eigentlich erstaunlich, dass „Mimimi“ immer noch nicht im Duden aufscheint. Wenn irgendetwas die deutsche Sprache und seine Sprecher treffend beschreibt, dann doch das. In diesem Sinne, ein Herz für unsere englischen Adoptiv-Wörter – und für mehr Mittelhochdeutsch!

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