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5 Eigenschaften, die man annimmt, wenn man als Lektorin zu viel Englisch liest

Englisch ist ja meine Lieblingssprache. Was kann man daran nicht mögen? Es ist kurz, flexibel und hält sich an die Subjekt-Verb-Objekt-Ordnung, während das Deutsche nur so tut. Oh ja, in einem einfachen Satz mag das vielleicht sogar noch stimmen, doch sobald’s ein wenig länger wird (oder noch schlimmer: sobald man mit einem akademischen Text konfrontiert wird), da sieht die Sache gleich ganz anders aus. Bis das Verb sich endlich daher bequemt, da setzt man doch Moos an.

 

Natürlich ist nicht alles sonnig im Staate Englisch. Zum einen besteht es aus gefühlten 90 % aus Lehnworten. Man kennt ja den Witz: Englisch borgt sich nichts von anderen Sprachen; Englisch verfolgt andere Sprachen in dunkle Gassen, schlägt sie nieder und durchsucht ihre Taschen nach losem Vokabular. Oder: Englisch sind drei Sprachen übereinander in einem Trenchcoat.

 

Zum anderen hat vermehrtes Lesen und Korrekturlesen von englischen Texten eindeutige Auswirkungen auf den Deutsch-Gebrauch. Hier sind fünf Beispiele, mit denen ich mich bevorzugt herumschlage:

 

Oxford-Komma

Manchmal hat man im Englischen ja das Gefühl, die Beistriche werden erst nach Fertigstellung des Texts mit der Schrotflinte verteilt. Nicht so beim Oxford-Komma. Dieses Komma hat einen adeligen Stammbaum und einen Sinn für Ordnung. Es scheint ein wenig etepetete, aber sobald man sich daran gewöhnt hat, ist es nur noch schwer wegzudenken. Entsprechend schwer ist es dann auch, es nicht in einen deutschen Text einzubauen. Da muss man sich als Lektor dann manchmal selbst auf die Finger hauen: „Nein, böse!“

 

Ich weiß, ich weiß, der Gedanke an einen Beistrich vor Bindewörtern in Aufzählungen treibt meinem Kollegium auf der Germanistik den Schweiß auf die Stirn. Können wir uns einfach darauf einigen, dass es manchmal nützlich ist? Schauen wir uns folgendes viel zitiertes Beispiel der Times of London an: „The highlights of his global tour include encounters with Nelson Mandela, an 800-year-old demigod and a dildo collector”.

 

Was soll man denn da über den armen Herrn Mandela denken? Besser wäre doch: “The highlights of his global tour include encounters with Nelson Mandela, an 800-year-old demigod, and a dildo collector”. Das ist eine eindeutige Aufzählung. Der Ruf des guten alten Nelson ist gerettet.

 

Na schön, man kann’s immer noch falsch verstehen. Aber wenigstens ist Nelson Mandela dann nur noch ein 800-jähriger Halbgott. Man kann von dem armen Komma auch nicht zu viel erwarten.

 

Nomen als Verben verwenden

Im Englischen ist das mit praktisch jedem Wort möglich. Man denke nur an Internet-Perlen wie „Will it waffle?“, also etwa „Wird es sich zur Waffel machen lassen?“, wobei „waffle“ hier als Verb gebraucht und problemlos als solches verstanden wird, was den Satz um einiges kürzt. Die wortwörtliche deutsche Entsprechung „Wird es waffeln?“ (oder weniger wörtlich „Kann man es waffeln?“) funktioniert dagegen eher mäßig. Anderes Beispiel: Netflix. „To netflix“ kann durchaus als Verb verwendet werden. Hier holt das Deutsche endlich auf, denn wie ich neulich in der Straßenbahn hörte, verbringt die Jugend ihre Samstage mit gemütlichem „Netflixen“.

 

Ich persönlich baue gern einfach eine neue Konstruktion wie „staubwisch das mal“.

 

Dinge direkt übersetzen

Passiert mir besonders bei Fachbegriffen, die ich nur im Englischen kenne. „Biopolitics“, zum Beispiel. Sagt man da wirklich Biopolitik? Das klingt so komisch, das kann doch nicht stimmen. Jetzt könnte man natürlich sagen: Mensch, Alex, google das doch einfach. Gern doch. Aber ich kann nicht ständig eine Diskussion unterbrechen, mein Handy zücken, über das WLAN fluchen und fünf Minuten damit zubringen, eine Übersetzung zu suchen. Es mag überraschen, aber viele Leute finden das aus irgendeinem Grund unhöflich.

 

Noch schlimmer: Mit befreiter Verzückung Anglizismen ins Gespräch einfließen lassen, weil die deutsche Übersetzung entweder a) nicht existiert oder b) unnötig lang ist. Und nicht nur so ein paar. Nein. Jedes zweite Wort oder es zählt nicht.

 

Noch viel schlimmer: Einfache deutsche Wörter fallen mir spontan nicht ein und ich brülle meinem Handy Dinge entgegen wie: „Hör auf zum whistlen, du blödes Ding!“

 

Wörter ergeben keinen Sinn mehr

Man starrt manchmal ratlos auf Wörter wie „dorthin“, „Brotherstellung“ und „Brathering“ bevor man draufkommt, dass das „th“ überhaupt nicht so ausgesprochen wird, wie man bis eben dachte.

 

Und zu guter Letzt

Britisch groß schreiben. Immer.

 

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